Grundsätzlich sprechen sich Betriebsräte eher gegen eine elektronische Zeiterfassung aus, da sie die Kontrolle der Arbeitnehmer erweitert. Jedoch können auch die Beschäftigten ein Interesse an der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung haben, gerade wenn es um die genaue Dokumentation von Arbeitszeit und Überstunden geht.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit dem Urteil vom 13.09.2022 verkündet, dass entsprechend eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs von 2019 (14.05.2019 – C-55/18) für alle Arbeitgeber eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten besteht.
In der dem BAG vorgelegten Entscheidung ging es eigentlich darum, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung zusteht. Dies lehnte das BAG zwar ab, führte jedoch in der Begründung aus, dass insofern bereits eine objektive gesetzliche Handlungspflicht bestehe, die das reklamierte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates sperre. Dies verortet das BAG nach einer unionsrechtskonformen Auslegung in der arbeitsschutzrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), aus der es eine Pflicht des Arbeitgebers zur Erfassung der Arbeitszeit ableitet. Dabei reicht es nicht aus, dass Zeiterfassungssysteme bereitgestellt werden. Diese müssen auch Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit tatsächlich erfassen. Der Arbeitgeber muss außerdem kontrollieren, dass die Arbeitszeiten dokumentiert werden. Allerdings besteht bei der Ausgestaltung der Zeiterfassung ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, welches sich aus § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ergibt.
Ob auf das Urteil ein nationales Gesetz folgt, bleibt abzuwarten. Das BAG sieht hierfür keine Notwendigkeit, da es die Generalklausel des ArbSchG für ausreichend hält. Das Bundesarbeitsministerium will die Regeln zur Arbeitszeiterfassung trotzdem mit einem zusätzlichen Gesetz klarstellen. Ein Vorschlag zur Ausgestaltung kommt vorraussichtlich im ersten Quartal des Jahres 2023, heißt es aus Berlin.
(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21)