Krankschreibung bei Kündigung: Keine Vergütung?

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Wenn eine Kündigung und die Krankmeldung zeitlich unmittelbar zusammenfallen, kann dies den hohen Beweiswert der ärztlichen Krankschreibung erschüttern. Entfällt dadurch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Grundsätzlich gilt: Wer arbeitsunfähig ist, muss zwar nicht arbeiten, erhält aber dennoch (für sechs Wochen) Entgeltfortzahlung, also die volle vertraglich geschuldete Vergütung.

Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) hat dabei einen sehr hohen Beweiswert, welcher nur aufgrund konkreter Indizien erschüttert werden kann. Ein solcher Fall liegt nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) vor, wenn der Arbeitnehmer sich nach einer vom Arbeitgeber erhaltene Kündigung krankmeldet oder das Attest exakt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt ist.

Dabei ist nicht entscheidend, ob es sich um eine arbeitgeber- oder arbeitnehmerseitige Kündigung handelt. Die Erschütterung des Beweiswertes im unmittelbaren Zusammenhang mit der Kündigung hatte das BAG erstmals vor rund zwei Jahren angenommen (BAG, Urteil v. 08.09.2021 – 5 AZR 149/21).

Im konkreten Fall wurde die Krankmeldung durch einen Arbeitnehmer einer Zeitarbeitsfirma eingereicht, der seit Mitte März 2021 mit der Ausführung von Hilfsarbeiten bei der Firma beschäftigt wurde. Bereits rund fünf Wochen nach Beginn eines Leiharbeitsverhältnisses wurde der Arbeitnehmer von dem Verleiher nicht mehr eingesetzt. Anfang Mai 2022 reichte der Zeitarbeitnehmer dann eine AU ein, die ihn mit einer Atemwegsinfektion eine Woche krankschrieb. Auf der Erhalt der AU hin kündigte die Zeitarbeitsfirma das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Mai 2022. Daraufhin reichte der Arbeitnehmer ein Attest vom 6. Mai 2022 ein, welches schließlich nochmals bis 31. Mai verlängert wurde und somit exakt eine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bescheinigte.

Die Zeitarbeitsfirma schenkte dem keinen Glauben, zweifelte die Erkrankung an und verweigerte die Entgeltfortzahlung. Insbesondere die passgenaue Krankschreibung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses mit neuem Tätigkeitsbeginn am Folgetag sorgte für Misstrauen, daher sei der Beweiswert der AU erschüttert. Nach einer in den ersten beiden Instanzen erfolgreichen Vergütungsklage scheiterte der Arbeitnehmer nun vor dem BAG.

Nach dem BAG sei es dabei „nicht entscheidend, ob es sich um eine Kündigung des Arbeitnehmers oder eine Kündigung des Arbeitgebers“ handele und „ob für den Beweis der Arbeitsunfähigkeit eine oder mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt“ würden. Entscheidend seien die Gesamtumstände der AU im Zusammenhang mit der Kündigung, insbesondere die zeitliche Koinzidenz zwischen Kündigung und Krankmeldung.

In diesen Fällen müssen Arbeitnehmer mithin beweisen, dass sie tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt sind, indem die Umstände der Erkrankung dargelegt und unter Beweis gestellt werden, beispielsweise durch die Benennung des behandelnden Mediziners als Zeugen.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2023 – 5 AZR 137/23)