Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitnehmer sich nach erfolgter Kündigung des Arbeitsverhältnisses krank melden. Das BAG geht davon aus, dass der Beweiswert einer solchen Bescheinigung dann erschüttert werden kann, wenn der Arbeitnehmer diese nach erhaltener Kündigung vorlegt. Ein etwas anders gelagerter Fall lag nun dem LAG Niedersachsen zur Entscheidung vor.
Das LAG Niedersachsen hatte über den Beweiswert einer noch vor Zugang der Kündigung ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu entscheiden. In dem betreffenden Fall ging eine auf den 02.05.2022 datierte Kündigung erst am 03.05.2022, nachdem der Arbeitnehmer sich am 02.05.2022 krank gemeldet hatte, zu. In der Folgezeit legte der Arbeitnehmer weitere AU-Bescheinigungen seines behandelnden Arztes bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2022 vor. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist dadurch nach Lösung des LAG jedoch nicht erschüttert worden. Eine zeitliche Koinzidenz, wie im Fall der Vorlage einer AU-Bescheinigung nach erfolgter Kündigung, liege hier gerade nicht vor. In seinem Urteil legt das LAG dar, dass der Kläger nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung dazu animiert werden konnte, einen Arzt zur Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufzusuchen. Der Arbeitnehmer habe keine Kenntnis von der Kündigung gehabt, als er den Arzt aufgesucht hat.
Auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer einen Tag nach Ende des Arbeitsverhältnisses zu arbeiten begonnen hat, reichte der Kammer für eine Erschütterung des Beweiswertes nicht aus.
Das LAG hat die Revision zugelassen, da das BAG in seinem Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 aus Sicht der Kammer nicht hinreichend geklärt habe, unter welchen Umständen der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wird.
(Urteil des Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 08.03.2023 – Az.: 8 Sa 859/2)