In der Regel erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlen Jahresurlaub nur dann am Ende eines Kalenderjahres, sofern eine Belehrung des Arbeitgebers bezüglich des konkreten Urlaubsanspruches und der Verfallfristen erfolgte und der Arbeitnehmer den Urlaub gleichwohl freiwillig nicht genommen hat. Dies geht aus dem, auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gestützten, Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19.02.2019 hervor.
Das Bundesarbeitsgericht hat geurteilt, dass der Arbeitgeber den Mitwirkungsobliegenheiten genügt, indem er den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, seinen Erholungsurlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub nach Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt.
Der Kläger war als Wissenschaftler bei dem Beklagten angestellt. Nachdem sein befristeter Arbeitsvertrag am 31.12.2013 endete, verlangte der Kläger vom Beklagten die Abgeltung von 51 Urlaubstagen aus den Jahren 2012 und 2013. Zuvor ließ der Beklagte durch E-Mail vom 16.05.2013 dem Kläger mit, dass der Urlaubsanspruch aller Mitarbeiter nach Vertragsende nicht ausgezahlt bzw. trasferiert werden könne. Nicht genommener Urlaub verfalle. Mit Schreiben vom 23.10.2013 bat der Beklagte den Kläger, seine „noch vorhandenen Urlaubstage bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses einzubringen“. Das BAG legte – nach stattgabe der Klage durch ArbG und LAG – die Frage einer Vereinbarkeit der Rechtsprechung zum Urlaubsverfall nach § 7 III BUrlG dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH entschied, dass der pauschale Verfall des Urlaubsanspruchs bei fehlender Antragstellung unvereinbar mit Art. 7 I RL 2003/88/EG und Art. 31 GRC sei.
In seiner Entscheidung konkretisiert der BAG die
Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Gewährung von
Erholungsurlaub. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, hinreichend
konkret und transparent dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer
tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen,
indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – hierzu auffordert. Das BAG
legt § 7 BurlG richtlinienkonform aus. So werde der vom BurlG
intendierte
Gesundheitsschutz gefördert, wenn der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer über den Umfang des noch bestehenden Urlaubsanspruchs
informiere, ihn auf die für die Urlaubsnahme maßgeblichen Fristen
hinweise und ihn zudem auffordere, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu
nehmen. Wie der der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten
erfüllt, sei nicht geregelt und diesem daher frei. Es kommt lediglich
darauf an, dass der Arbeitnehmer in die Lage versetzt werde, in Kenntnis
aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen
Urlaub in Anspruch nimmt. Ferner dürfe der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub in Anspruch zu
nehmen. Die Erfüllung dieser Pflicht könne der Arbeitgeber
beispeilsweise dadurch erfüllen, dass er den Arbeitnehmer zu Beginn des
Kalenderjahres in Textform mitteile, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im
Kalenderjahr zustünden, ihn auffordere, seinen Jahresurlaub so
rechtzeitig zu beantragen, dass er ihn innerhalb des laufenden
Kalenderjahres nehmen könne, und ihn über die Konsequenzen belehre, die
eintreten, wenn dieser Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung
beatragt werde. Abstrakte Angaben im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt
oder in Kollektivvereinbarungen genügten hingegen i.d.R. nicht. Dagegen
sei vom Arbeitgeber nicht die ständige Aktualisierung
der Mitteilung zu verlangen, etwa bei jeder Änderung des Umfangs des Urlaubsanspruchs.
Für die Praxis bedeutet das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes, dass sie einen Standardprozess etablieren sollten, wonach die Mitarbeiter zu Beginn eines Kalenderjahres – entsprechend den vom BAG festgelegten Anforderungen – belehrt werden. Ein solcher Prozess muss zumindest in zweierlei Hinsicht abgesichert werden: Zum einen müssen entsprechende Hinweise auch während des Kalenderjahres neu eintretende Mitarbeiter erhalten, zum anderen sollte die Erklärung vorsorglich auch auf etwaig übertragene Urlaubsansprüche des Vorjahres bezogen werden.
(BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15)