Mitbestimmungswidrige Kameraüberwachung zur Corona-Abstandsmessung

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Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Arbeitsgericht Wesel entschieden, dass auch die Kameraüberwachung zwecks Überprüfung der Einhaltung empfohlener Sicherheitsabstände während der Corona-Pandemie der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt.

Die Antragsgegnerin überwachte mithilfe der auf dem Betriebsgelände installierten Kameras, ob die im Betrieb anwesenden Personen die im Rahmen der Corona-Pandemie empfohlenen Sicherheitsabstände einhalten. Es existierte insoweit eine Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras. Die Aufnahmen wurden an eine Anonymisierungssoftware mit Datenservern in Dublin (Irland) weitergeleitet und anschließend ausgewertet. Der zuständige Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin zur Einhaltung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG auf, während diese allerdings die Auffassung vertrat, dass eine Mitbestimmung aufgrund der Anonymisierung ausgeschlossen sei.

Das Arbeitsgericht Wesel entschied, dass die Aufzeichnung von Arbeitnehmern grundsätzlich der Mitbestimmung nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG unterliege. Der Zweck, die Einhaltung der Abstände zu überprüfen, sei nicht von der Betriebsvereinbarung gedeckt. Eine die Mitbestimmung ausschließende Anonymisierung erfolge zudem erst nach der Übersendung an die Anonymisierungssoftware in Irland, sodass dies die Mitbestimmung nicht ausschließe. Lediglich in Notfällen, wozu auch die Abwendung akuter Gefahren oder Schäden fallen, könne der Arbeitgeber einseitige Anordnungen ohne unmittelbare Beteiligung des Betriebsrats aussprechen. Die Corona-Pandemie stelle zwar eine gravierende Bedrohung, nicht aber einen solchen Notfall dar. Insoweit überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer.

Das Arbeitsgericht Wesel führt zwar zutreffend aus, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG grundsätzlich eröffnet ist. Die pauschale Feststellung, dass die Corona-Pandemie keinen „Notfall“ darstelle und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer überwiege, erscheint jedoch weder nachvollziehbar noch stichhaltig.

(Arbeitsgericht Wesel, Urteil vom 24.04.2020 – 2 BVGa 4/20)