Keine Sozialkassenpflicht trotz überwiegender Trocken- und Montagebauarbeiten

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Der Einbau von Fenstern und Türen ist grundsätzlich eine bauliche Tätigkeit des Trocken- und Montagebaus. Trotzdem hat das Arbeitsgericht Wiesbaden nunmehr entschieden, dass ein Betrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend Fenster und Türen eingebaut werden, als Betrieb des Glaserhandwerks nicht sozialkassenpflichtig ist. 

Die SOKA-Bau forderte vom Beklagten Beiträge im Sozialkassenverfahren des Baugewerbes in Höhe von insgesamt knapp 30.000,00 EUR. Die im Betrieb des Beklagten ausgeführten Tätigkeiten standen zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Die gewerblichen Mitarbeiter des Beklagten bauten Türen und Fenster ein und verrichteten die damit im Zusammenhang stehenden Vor- und Nacharbeiten. Außerdem montierten sie vorgefertigte Rollläden und Sonnenschutzelemente. Mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit entfiel im streitgegenständlichen Zeitraum allerdings auf den Einbau von Türen und Fenstern. 

Dabei handelt es sich zwar grundsätzlich um Tätigkeiten des Trocken- und Montagebaus im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV-Bau. Die Tätigkeit des Einbauens von Türen und Fenstern ist allerdings auch eine Tätigkeit des Glaserhandwerks im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 4 VTV-Bau. Dies ist bspw. der Verordnung über die Berufsausübung zum Glaser/zur Glaserin zu entnehmen. 

Der Einbau von Fenstern und Türen ist deswegen eine sogenannte „Sowohl-als-auch-Tätigkeit“. Bei der Bewertung, ob diese Tätigkeiten sozialkassenpflichtig sind oder nicht, kommt es auch darauf an, von wem die Tätigkeiten ausgeführt, wenigstens aber angeleitet, kontrolliert oder überwacht werden. Im vorliegenden Falle beschäftigte der Beklagte einen Glasergesellen und somit einen Fachmann des Glaserhandwerks. Dieser führte die Tätigkeiten entweder selbst aus oder er kontrollierte und überwachte die üblichen gewerblichen Arbeitnehmer des Beklagten. 

Deswegen hat das Arbeitsgericht Wiesbaden in der oben genannten Entscheidung den Einbau von Fenstern und Türen als Tätigkeiten des Glaserhandwerks im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 4 VTV-Bau qualifiziert. Da diese Tätigkeiten im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich überwiegen, d. h. zu mehr als der Hälfte der Arbeitszeit ausgeführt wurden, ordnete das Arbeitsgericht den Betrieb des Beklagten insgesamt als einen solchen des Glaserhandwerks ein. Die Klage auf Zahlung von Beiträgen im Sozialkassenverfahren des Baugewerbes wurde abgewiesen. 

Auch die Bundesagentur für Arbeit forderte vom Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum Winterbeschäftigungs-Umlage-Beiträge. Zwar ist für die Frage, ob solche Beiträge zu zahlen sind, nicht der VTV-Bau ausschlaggebend, sondern die Baubetriebe-Verordnung. Beide Normtexte sind jedoch in weiten Teilen wortgleich. Auch die Bundesagentur für Arbeit stellte das Verfahren gegen den Beklagten allerdings ein und erstattete bereits gezahlte Beträge vollumfänglich zurück. 

(Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 22.09.2022 – 5 Ca 767/21 SK)